Caro
Thomas
Juli 22, 2019
9 min read
Thomas-Super-Yam
Yamnuska - Trad-Ikone des Bow Valleys - Wir klettern Kahl Wall.
Yamnuska - Trad-Ikone des Bow Valleys - Wir klettern Kahl Wall.
Der ziemlich steile Aufstieg läuft noch ganz gut, doch bereits auf den ersten Klettermetern machen sich die Platten vom Vortag in den Beinen bemerkbar... Aber um ehrlich zu sein - selbst in Bestform, wären mir zwei Friends und ein alter Normalhaken auf 45m - auch wenn's "nur" der 6. amerikanische Grad ist - viel zu viel Luft unter'm Hintern! Aber genau da fühlt sich unser Thomas wohl, also darf der sich in der Kahl Wall mal so richtig austoben. Egal wo der letzte Cam sitzt, er steigt den Kamin mit kühlem Kopf hoch und schwingt sich über's Dach hinaus, wo man vielleicht mal wieder eine Sicherung legen könnte... Und so rockt er eine Seillänge nach der anderen in Yamnsuka - Thomas-Super-Yam :-)
Yamnuska#
Im sagenumwogenen Klettermekka Yamnuska östlich der Rocky Mountains enstanden bereits in den 1920ern die ersten Touren. Der Berg wurde von den mountain people als "Iyamnathka" = "flat faced mountain" bezeichnet. "Yamnuska" ist eine Ableitung dieser Bezeichnung für steile Felsen und bedeutet "wall of stone". Der Mt. Yamnuska (2240m) galt als heiliger Platz und die Winde am Gipfel als Zeichen für den starken Geist, der hier lebt.
Das markante Massif im Lower Bow Valley ähnelt beim ersten Blick der französischen Kletterhochburg Ceüse. Doch bei genauerer Betrachtung findet man keine Bohrhaken und dafür eine deutlich höhere Felsformation. Beschrieben wird Yam auch als "The Crown Jewel of Canadian Rockies Traditional Climbing". Zahlreiche Trad-Routen befinden sich in der Kalk-Wand, für die es einen eigenen Führer gibt. Diesen haben wir in der Bibliothek von Canmore (eine knappe halbe Stunde entfernt) einmal studiert und eine Best-Of-Liste herausgesucht (siehe Gebiete).
Die Wand beheimatet vom West zum East End neben klassischen Rissen und Verschneidungen auch technische Wandkletterein. Eine dieser klassischen, alpinen Touren befindet sich in der Kahl Wall, die auch deren Namen trägt. Die Erstbegehung dieser Linie reicht in den Juli 1971 zurück:
"With this ascent, the bar on Yamnuska was raised to a new level. Together they had succeeded in overcoming one of the longest, blankest faces ever attempted up to this time." - Beschreibung der Erstbegehung von Don Vockeroth und Tim Auger in Rock Climbs of Mt. Yamnuska von Andy Genereux
Unsere Begehung im Juli 2019 ist keineswegs mit deren Abenteuer zu vergleichen, aber hatte es für unsere Geschmack dennoch ganz schön in sich:
Kahl Wall, 5.10a, 280 m#
Um kurz nach 10 Uhr kommen wir nach 1h20 Zustieg am Wandfuß an. Die Linie direkt oberhalb des Climbers' Approach Trail haben wir bereits vor ein paar Tagen ausgespäht. Nach den üblichen Vorbereitungen kann es auch schon los gehen...
Jetzt wechselt der Erzähler und ich (Thomas) starte voller Vorfreunde aber auch mit einer gewissen Unsicherheit in die ersten beiden Seillängen, die wir zusammenhängen wollen. [SL1+SL2: 5.5+5.6 (30m+35m)] Von unten sieht alles logisch aus: die Rampe hoch, vorbei an altem Matrerial und nach links auf den Absatz. Schnell sind die ersten 30m vorbei und ich stehe einige Meter über dem letzten Friend. "So schwer war die eigentlich nicht beschrieben", geht es mir durch den Kopf und ich schaue mich noch etwas genauer um. Fünf Meter links unter mir entdecke ich die beschriebenen Ledge und so geht es ganz langsam wieder runter zur eigentlichen Linie und zum ersten Stand. Puh, das geht ja gut los... Bei dem Verhauer ist es zum Glück geblieben.
[SL3/SL4/SL5: 5.7/5.7/5.8 (40m/45m/30m)] Im Laufe der nächsten drei Seillängen komme ich immer mehr in meinen Kletterfluss hinein. Durch Verschneidungen hindruch und über den ein oder anderen Felsvorsprung hinüber, geht es immer weiter nach oben. Nicht nur einer Hakenreihe zu folgen, sondern sich anhand der Felsstrukturen zu orientieren, hat eben seinen ganz eigenen Reiz.
Die sechste Seillänge soll die Hauptschwierigkeit der Tour und gut mit Bohrhaken gesichtert sein.
Bereits die Erstgeher setzten Bohrhaken zur Sicherung ein (wo es anders nicht möglich war). Diese 4mm Stifte (wenn überhaupt) wurden in der Tour durch 10/12mm Haken ersetzt. Die Kanadier nennen dies "Retrofitting".
[SL6: 5.10a (35m)] Es geht direkt mit einer schweren Wandkletterei an bereits schmierigen Leisten los und ich bereue schon, dass ich das Chalk unten gelassen habe. Der letzte Bohrhaken ist schon wieder eine Weile entfernt und ich ziehe mich an kleinen Schuppen die Wand langsam nach oben. Jetzt wird es sicherlich leichter, denke ich mir und merke wie die Unterarme lieber gerade einen Kaffee trinken würden. Noch schnell einen windigen Keil gelegt und weiter geht's. Leichter wird es natürlich nicht, doch über mir trohnt schon das große Dach, neben dem sich der Stand befinden soll. Auf einmal wechselt die Seilänge komplett ihren Charakter und ich stehe auf Reibungstritten direkt unter dem Dach. Zum Glück wieder ein Bohrhaken an dem es vorbei in eine überhängende Verschneidung geht. So vielfältige Seillängen bin ich selten geklettert - die Motivation ist stärker als die brennenden Unterarme und gibt mir Energie für die letzten Meter. An guten Griffen geht es da auch noch durch und ich komme in einem Freudentaumel endlich am Stand an. Ziemlich erledigt hole ich das Seil ein. Da bin ich schon leichtere 6er geklettert...
Dann fliegen die Gedanken runter zur Caro und bereiten mir ein ungutes Gefühl, da die es sicherlich auch nicht leicht haben wird. Sie kämpft sich allerdings bewundernswert durch die schweren Stellen und wir stehen schon bald wieder nebeneinander am Stand. Wird die nächste Seillänge ebenfalls so schwer? Haben wir die Tour eventuell etwas unterschätzt? Ein Abseilen wäre jetzt immer noch möglich...
Erstmal Pause machen auf der bequemen Ledge, die Aussicht genießen, einen Riegel essen und durchatmen.
Doch so nah am "Ziel" wollen wir beide nicht umdrehen. Die siebte Seillänge wird ähnlich schwer in den Topos bewertet. [SL7: 5.10a (30m)] Es geht wieder in eine steile Verschneidung und in einem genialen Quergang nach rechts. Super rauher Fels führt ab jetzt wieder leichter zum nächsten Stand. Hier waren es eher schwere Einzelstellen und die Seillänge hat sich deutlich leichter angefühlt als die Letzte. So ergeht es auch der Caro, die wieder mit einem Lächeln am Stand ankommt. Die Stimmung bessert sich und wir sind motiviert, die letzten beiden Seillänge auch noch zu schaffen!
[SL8: 5.8 (45m)] Nochmal geht es in eine Verschneidung, die nach oben immer steiler wird und unter einem Dach nach links zum Stand führt. Die Kletterei ist wieder erste Sahne! Von weit unten erkenne ich schon einen "fixed" Cam im Dach, den ich zielsicher ansteuere. Oha, jetzt wird es doch nochmal schwer und ich schaue nach unten, wo die letzte Sicherung kaum noch zu erkennen ist. Der Cam sitzt 2 Meter links über mir. Ich stemme die Füße an die linke Wand der Verschneidung und möchte mich mit dem Rücken rechts hinten anlehen. Doch da ist ja auch noch der Rucksack! Doch dessen Reibung scheint gut zu sein und so schmiege ich mich langsam nach oben und klippe endlich die Sicherung. Die Anspannung lässt nach und ein paar kräftige Züge später stehe ich am Stand. Auch die Caro scheint Spaß zu haben an der steilen Seillänge und dem komplexen Ausstieg über's Dach rüber zum Standplatz, der bei ihr etwas eleganter aussieht, als er sich bei mir angefühlt hat... ;)
[SL9: 5.9 (20m)] 20m trennen uns jetzt noch vom erfolgreichen Abschluss der Kahl Wall und diesmal bin ich mit den Sicherungen nicht so sparsam.
Ein steiler Riss bringt uns endlich zum Ausstieg und wir haben Yamnuska bezwungen! Wir sind überglücklich und genießen die Sonnenstrahlen am Gipfel. Die obligatorische Brotzeit darf natürlich nicht fehlen, bevor es an den steilen Abstieg nach unten geht. Dieser geht entlang des "Hiking Trails" wieder zurück zum Auto bis auch die letzten Wasserreserven aufgebraucht sind. Der nächste See ist zum Glück nicht weit entfernt und die müden Muskeln bekommen noch eine Kneippkur. :-)
Fazit#
Zu unterschätzen ist dieser Yamnuska in jedem Fall nicht. Wir stimmen, was unsere Route angeht, voll mit dem Guidebook überein. Denn trotz gebohrter Standplätze und vereinzelter Borhhaken in den 10a-Längen, handelt es sich um eine traditionelle, alpine Linie:
"(...) this popular route still maintains much of its traditional flavour, requiring a steady head, route-finding ability, traditional gear placement skills, and a vide variety of climbing techniques."
Doch die Mythen über lange Runouts in schlechtem Fels haben sich in unserer Tour jedenfalls nicht bewahrheitet. Die Route Kahl Wall im gleichnamigen Wandbereich bietet 9 Seillängen fantastische Kletterei, bei denen ein kühler Kopf immer wieder gefragt ist. Es sollte der Grad in jedem Fall beherrscht werden, denn die vorhandenen Bohrhaken sichern wirklich nur die schweren Stellen in glatten Wandbereichen ab und wurden selbst dort nur spärlich gesetzt.
Auch ein wenig Ausdauer kann nicht schaden, denn die 5.10a-Seillängen wurden nicht anhand von Einzelzügen bewertet, sondern halten ihre Schwierigkeit über die Länge hinweg an. Obachd❕ - Eine 5.10a (UIAA VI+) aus den 70ern scheint auch hier in Nordamerika zu bedeuten, dass es sich eben um keinen "sportlichen Sechser" handelt.
Quick Facts: Yamnuska - Kahl Wall
- Route: Kahl Wall, 9SL (5.10a)
- Topo: Gibt es in einem eigenen Yamnuska-Führer. Dieser liegt in der Bibliothek in Canmore aus. Eine weitere gute Beschreibung (woran wir uns hauptsächlich gehalten haben) gibt es hier
- Zustieg: ca. 1h den steilen, aber guten Climbers' Approach Trail hinauf zum Wandfuß (laut Guidebook 1h, wir 1h20)
- Expo: Süd
- Gear: Cams (Micro bis BD #4, Mittlere doppelt), Keilsortiment, 60m Halbseile
- Belay Stations: bolted (with two ring bolts each)
- Getting Down: Abstieg über Wanderweg East Ridge Trail (ca. 1h)