Caro

Thomas

August 08, 2019
12 min read

Mount Hector (3395m), Apollo, 5.9, 10p

Endlich - Unser erster 11.000er in den Rocky Mountains!

Endlich - Unser erster 11'000er in den Rocky Mountains

Aber von Anfang an... Nach langem Überlegen zwischen den zahlreichen tollen Bergen im Bow Valley, haben wir uns für den Mount Hector entschieden. Eine Klettertour mit 10 Seillängen auf einen 3400m hohen Gifpel findet man doch nicht alle Tage... ;-)

Apollo - Planung und Vorbereitung#

Die Tour hatte uns ein Local im Kletterladen in Banff empfohlen. Sie wurde erst im Sommer letzten Jahres vollendet und hat wohl trotzdem schon einige Begehungen gesehen. Trotz aufwendigem Zustieg und Gehpassagen zwischen den Kletterabschnitten, soll sie sehr lohnenswert sein.

Die Infos zur Tour gab's online - aktuell ist das PDF nicht auf der Seite verfügbar, daher meldet euch, falls ihr es braucht!

Unser Ziel befindet sich auf der östlichen Seite des Bow Rivers gegenüber einer der großen Bergketten der Rocky Mountains. Vom Parkplatz aus sind es 1200 Höhenmeter zum Einstieg. Auf halber Strecke besteht die Möglichkeit zu Campen und eine 2-Tagestour zu planen. Voller Vorfreude kramt der Thomas seinen Expeditionsrucksack aus den Tiefen des Kofferraums heraus. Auch Isomatten, Schlafsäcke und Zelt kommen endlich zum Einsatz.

Das Vorbereiten der Tour stellt sich als zeitaufwendiger heraus als gedacht. Schlaf- und Klettersachen raussuchen, in der Küche klar Schiff machen und Abendessen vorbereiten, die Brotzeit für den nächsten Tag herrichten, nochmal abwaschen und dann mal überlegen, welche Klamotten eigentlich mit müssen... Puh, da kommt ganz schön Gepäck zusammen für die eine Tour... :D

Wir sagen diesmal wohl wirklich zum letzten Mal Ciao zu unserem Lieblingsstädtchen Canmore und machen uns auf den Weg. Im Nationalpark entscheiden wir uns gegen den 4-spurigen Highway und nehmen die kleine Nebenstraße, um die Natur und Aussicht etwas mehr genießen zu können. Wir erhaschen einen Blick auf den Mt Louis, der ja auch irgendwann mal auf unsrer Liste stand, sowie auf den Mt Castle, dessen Besteigung wir uns nach wie vor erhoffen. Auch der Mt Temple grüßt von der anderen Seite des Bow Rivers. Doch auch unser aktuelles Ziel sieht bereits von Weitem beeindruckend aus.

Steil bergauf - Zustieg zum Camp#

Wir parken am Straßenrand des Highway 93 unterhalb vom Mt Hector. Der Thomas kann es kaum erwarten, "ach, endlich mal wieder einen gescheiten Rucksack auf!" ...doch diese Freude wird nicht lange anhalten, da uns ein von Beginn an sehr steiler Aufstieg bevor steht.

Gerade als wir um halb5 starten wollen, fährt noch ein weiteres Pärchen am kleinen Parkplatz ein. Die wollen auch heute aufsteigen und morgen die Apollo Route klettern... Naja, sollte schon gehen mit zwei Seilschaften in der Wand... Der Aufstieg führt uns durch dichten Wald. Die Bear-Beat-Box hat die Caro am rechten Wanderstecken befestigt. Die gute alte Kaffeedose klappert somit schön bei jedem Schritt mit. Das gibt etwas Sicherheit. Dennoch halten wir Augen und Ohren offen, um keine überraschende Begegnung mit Meister Bär zu machen. Die Aufregung vor den Bären lenkt von der Anstrengung des steilen Aufstiegs ab. Hin und wieder schaut der Mt Hector zwischen den Bäumen hindurch und treibt uns zusätzlich weiter nach oben. Wir kommen gut ins Schwitzen und die Rucksäcke machen es nicht leichter... So freuen wir uns umso mehr über eine frische Brise als wir den Wald hinter uns lassen. Der Blick auf den immer noch sehr weit entfernten Berg wird immer besser.

Doch trotz des leichten Windes gibt es hier auf einmal Mücken und davon mal wieder nicht wenige... Am Camp1 auf 2350m gibt es zum letzten Mal Wasser. Wir treffen eine Seilschaft, die gerade vom Berg zurück ist und noch ein Bierchen trinkt, bevor es nach unten geht. Sie erklären uns, dass hier schlafen (anstatt im 250hm höher gelegenem Camp2) praktischer ist, da man dann den steileren und kürzeren Abstieg vom Berg nehmen kann. Die beiden sind am Morgen um 6Uhr gestartet und sind bereits 12h auf den Beinen. Das wird wohl morgen auch für uns ein langer Tag werden... Trotz der vielen Moskitos versuchen wir es uns bequem zu machen. Wir ziehen schon die langen Sachen an, obwohl es eigentlich noch schön warm ist. Das Zelt aufgebaut und das Abendessen vorbereitet und da kommen auch schon unsere Verfolger an. Die wollen allerdings ein Camp weiter oben schlafen und hoffen auf weniger Moskitos dort. Während sie ihre Wasservorräte auffüllen, erzählen sie, dass sie aus Canmore kommen und interessieren sich für unsere bisherigen Touren. Sie ziehen mit ihren noch größeren Rucksäcken weiter nach oben und wir kümmern uns ums Abendessen. Das verspeißen wir dann im Zelt, um in Ruhe essen zu können.

Da es draußen wirklich nicht gemütlich ist, verpacken wir noch alle Sachen und legen uns früh schlafen. Uns erwartet eine unruhige Nacht... Ist es die Aufregung vor der Tour, die Angst vor den Bären oder einfach der ungewohnte Schlafplatz?

Morgens um 6 - Aufstieg 2.0#

Um halb6 klingelt der Wecker. Da wir beide nicht gut geschlafen haben, wird die Snooze-Funktion noch ein-zwei mal genutzt... Wir stehen um 6Uhr auf und machen uns nach dem Anziehen und Zähneputzen direkt auf den Weg weiter noch oben.

Wir haben noch 700hm zum Einstieg vor uns und die haben es ganz schön in sich. Es geht über einen steilen Hang hoch zum Camp2. Dort packen gerade die anderen beiden ihre Rucksäcke. Dann führt ein Schutthang, der immer bröseliger wird hoch zur Flanke. Es weht ein starker Wind. Trotzdem kommen wir gut ins Schwitzen. Die Sonne kommt langsam ums Eck und erleuchtet die Berge und Wolkenmeer, welches das Bow Valley noch versteckt.

Nur langsam kommen wir unserem eigentlichen Ziel näher... Der Rucksack ist mit all den Klettersachen immer noch gut schwer und auch die Luft wird zunehmend dünner. "Warum wollen wir nochmal genau da hoch?", geht es der Caro durch den Kopf, die nicht ganz so schnell voran kommt wie der Rest...

Wir sind fast oben. Es ist kurz nach 8. Die anderen beiden haben uns überholt. Also suchen wir uns einen windgeschützten Platz für‘s Frühstück in der Sonne. Wir wollen ihnen etwas Vorsprung in der Wand geben, um vor Steinschlag sicher zu sein. Die Pause tut gut. Die langen Sachen angezogen und gestärkt wollen wir gerade wieder los, als eine weitere Seilschaft ankommt. Die sehen noch recht frisch aus, obwohl sie vom Parkplatz aus hoch gelaufen sein müssen... Das wird ja ne Party heute in der Wand...

Wir gehen direkt zum Einstieg und richten uns her („gear up spot“), um als Zweite einsteigen zu können. Oh Mann... die Ersten fangen ja gerade erst an – was haben die denn die ganze Zeit gemacht? Und sonderlich schnell schauen die beiden auch nicht aus... (Diese Gedanken werden wir heute leider noch öfter haben...)

Los geht's - Endlich Klettern!#

Um 9.30 Uhr starten wir mit der eigentlichen Tour. Dem Thomas liegt die erste Länge viel besser als seiner Vorgängerin. Wir kommen super gut voran und wechseln uns im Vorstieg je nach Schwierigkeit ab.

Nach dem Kaltstart in der ersten kräftigen Seillänge (SL 1, 5.9+, 30m, T), folgt eine etwas moderatere und kurze Verschneidung (SL2, 5.7, 15m, C), die ein paar schöne Cam-Placements bietet. In der dritten Länge (SL3, 5.7, 50m, T) kommt es uns so vor als ob die Bohrhaken gesetzt wurden, um die brüchigen Stellen abzusichern.

Mehr Abwechslung bringt die 4. Seillänge (SL4, 5.6, 31m, C): nach einem kleinen Gehstück über die erste Terrasse, freut sich die Caro über sandstein-artige Sinter. Es geht ein paar schöne, leichte Stufen nach oben und auch die großen Friends kommen zum Einsatz.

Wir kommen an der Funkstation an und müssen mal wieder bissl spazieren und dann mal wieder warten... Die Gelegenheit nutzen wir für eine kleine Stärkung zwischendurch :-)

Dann geht's weiter und wird etwas steiler. Darüber freut sich der Thomas in der 5. Seillänge (SL5, 5.9, 37m, T), der endlich auch auf seine Kosten kommt: Ein paar kleingriffige Züge an einer glatten Wand führen zu einem Risssystem, das oben auf einem Plateau endet. Oben staunt er nicht schlecht, als die Caro mit ihren Fleece-Handschuhen angeklettert kommt.

Es folgen wieder zwei leichtere Längen. Die Erste davon (SL6, 5.6 & 4th, 50m, C) startet mit einem steilen Stück und ist dann in leichtem und leider etwas bröseligem Gelände gar auszugehen. Zur Abwechslung folgt ein Spaziergang über ein Band hin zum nächsten Abschnitt des Berges. Die siebte Seillänge (SL7, 5.7, 25m, C) sieht auf den ersten Blick nach einem schönen Riss, der zu einem Kamin wird aus. Leider klettert die Caro zu schnell los, sodass die vorherige Seilschaft direkt über dem Kamin steht und regelmäßig Steine runterkickt... Also erst nochmal in Deckung gehen und warten...

Die Warterei wird ungemütlicher am ausgesetzten Stand um den der Wind herum pfeift... Sobald der Nachsteiger vor uns los klettert, startet auch der Thomas hinterher. Flink klettert er über die (laut Topo) Schlüsselstellen der Tour: wieder ein paar kleingriffige Züge an der Wand, bevor es über einen Vorsprung nach oben und noch einige Meter weiter zum Stand geht (SL8, 5.9/9+, 28m, T). Mittlerweile läuft auch die hintere Seilschaft auf uns auf und die Caro bekommt wieder Gesellschaft. :-) Die beiden wohnen in Banff. Er ist Bergführer und seine Frau Skilehrerin. Die beiden haben ein paar tolle Geschichten und viele Tipps für uns auf Lager. Auch meint er, welch Glück wir heute mit dem Wetter haben, denn normalerweiße ist es hier oben richtig kalt + windig. Und er hat Recht - wir genießen den ganzen Tag einen tollen Ausblick und super Wetter!

Auf dem Bild sind neben unseren neuen Freunden der Ausstieg der 8. Seillänge und die letzte Terasse zu sehen. Dann geht es nochmal eine leichtere Länge zuerst über ein paar sandige Wulste und dann durch einen brüchige Rinne weiter zum Endspurt (SL9, 5.5, 58m, C). Ein Quergang (SL9a, 3rd, 50m, C) führt über einfaches Gelände hin zur letzten Länge. Hier haben wir nochmal Zeit für etwas Smalltalk und sind bei den Kletter-Tipps schon über Kanada hinaus in den USA angekommen. Wir verspeisen direkt noch die Gipfelbrotzeit, bevor es endlich losgehen kann. Die unserer Meinung nach anspruchvollste Seillänge des Tages (SL10, 5.8/9, 55m, T) führt über eine glatte Wand mit schlechten Tritten hin zu einem coolen Risssystem. Die Hand und der gelbe Cam finden ihren Platz im Riss und so geht es ausgesetzt weiter nach oben. Dem Riss folgend wird es leichter bis hin zum Ausstieg der Klettertour.

Summit - Juchu, unser erster 11'000er#

Endlich oben angekommen! :-) Wir sitzen in der Sonne und erfreuen uns über den faszinierenden Ausblick. Anstatt einem Gipfel-Selfie gibt's heute ein Gipfel-Pano :-)

Es ist bereits 4 Uhr. Wir warten noch bis die dritte Seilschaft heil oben ankommt und dann heißt's schnell wieder runter. Die ganze Tour darf wieder abgeseilt werden und wir wollen diesmal die Ersten sein, da wir nicht wie empfohlen mit einem 60m-Seil, sondern mit unseren Halbseilen (2x60m) unterwegs sind. Den Vorteil konnten wir leider nur dreimal nutzen: Abseilen über SL10, SL7+8 und SL5. Der Spaß hat uns gute 2h gekostet: 13x Abseilen und immer wieder Seile aufnehmen, um über die Terassen zu laufen.

Um kurz vor 7 sind wir wieder am Einstieg und machen uns schnell auf den Weg in Richtung Camp. Wir nehmen den direkten Weg die Rinne hinunter zum Camp1 und lassen Camp2 wortwörtlich links liegen. Das stellt sich am Anfang durch den Bröselhaufen als gar nicht so leicht heraus. Doch sobald der Schutt etwas feiner wird kann die Rutschpartie beginnen und es geht flott nach unten. Schnell das Zelt abgebaut, alles eingepackt und weiter in Richtung Auto.

Die letzten Meter durch den Wald haben es ganz schön in sich. Wir haben bereits gute 1000hm hinter uns und die Beine machen allmählich schlapp. Die letzten Sonnenstrahlen lassen Mr. Hector noch erstrahlen, doch verschwinden bald hinter'm Horizont. Wir laufen noch in der Dämmerung weiter. Die andern beiden Seilschaften haben uns nicht eingeholt...

Geschafft - Wir kommen heil unten an!#

Wir sind so glücklich als wir um kurz vor halb10 unten beim Tschumpsty ankommen!

Schnell gewaschen und umgezogen, da wir total durchgeschwitzt sind, weil wir die langen Klamotten als Schutz vor den Mücken anhatten. Wir fahren zurück zum Overflow Parkplatz bei Lake Louise. Es gibt noch eine Suppe. Doch selbst das Stehen am Herd fällt schwer. Das erfrischende Radler, das im Kühlschrank gewartet hat, haben wir uns heute echt verdient. Es ist bereits halb11 als es Essen gibt. Danach fallen wir tot müde und mit schweren Beinen in unser Bett. Hier können wir gut schlafen. :-)

Fazit#

Wie erwartet eine super Tour auf einen der höchsten Berge im Bow-Valley. Die Route ist gut eingerichtet und überrascht immer wieder mit genialen Kletterpassagen. Da der Hector etwas "abseits" der Hauptkette steht, hat man ein fantastisches Gipfelpanorama. Es sollte auf einen warmen Tag mit wenig Wind geachtet werden, sonst kann es schnell kalt werden.

Quick Facts: Mt Hector

  • Route: Apollo
  • Topo: Gibt es leider nicht mehr online. Wir haben es noch ;-)
  • Zustieg: Wird in der Regel mit einem Camp gemacht. Insgesamt 1200hm zum Einstieg.
  • Expo: Süd
  • Gear: Satz Cam #0.3-#3. Evlt #2 doppelt für letzte SL. Keile hatten wir nicht gebraucht. 60m Einfachseil ausreichend.
  • Belay Stations: Bolted
  • Getting Down: Abseilen über die Route